Karsten Krügener hat vor 22 Jahren seinen Elektroinstallationsbetrieb in Bad Grund (Harz) eröffnet. Mit uns hat er im Interview darüber gesprochen, wieso eine Ausbildung im Handwerk eine sichere Zukunft bietet, warum er mit dem deutschen Schulsystem unzufrieden ist und weshalb er die Ziele der Politik in Bezug auf die Energiewende für ambitioniert hält.
Herr Krügener, sie haben vor mehr als zwei Jahrzehnten ihr Unternehmen gegründet – bilden Sie seither durchgehend aus?
Ja, ich habe immer ausgebildet, weil ich immer gesagt habe, dass ich jungen Menschen eine Chance geben möchte. Ich war seinerzeit sehr froh, als ich eine Ausbildungsstelle gefunden habe, denn ich musste noch 40 Bewerbungen schreiben, um überhaupt eingestellt zu werden. Heute muss ich mich quasi bei den jungen Leuten bewerben und dafür sorgen, dass sie sich für mein Unternehmen interessieren.
Mit welchen Tricks und Kniffen gelingt Ihnen das?
Wir haben vielleicht noch den Vorteil, dass es im ländlichen Bereich nicht ganz so anonym ist wie in der Großstadt. Man hat viele Bekannte, die das weitertragen und wir versuchen, viel über Mund zu Mund-Propaganda und Anzeigen zu besetzen. Wir machen aber auch viel über Social Media, das macht unser großer Sohn, der gerade studiert – er verdient sich so ein bisschen was dazu. Er stellt alles zusammen für Instagram und Facebook, stellt dort Anzeigen rein und sucht Menschen, die Lust haben, was bei uns zu machen.
Und das klappt gut?
Letztes Jahr hatten wir echt Schwierigkeiten. Da hatten wir das erste Mal überhaupt gar keine Bewerbung. Aber wir haben dann noch Glück gehabt, dass wir durch Mund zu Mund-Propaganda jemanden gefunden haben, der noch eine Ausbildung gesucht hat. Den konnten wir Ende September, also mit zwei Monaten Verzug, einstellen. Dieses Jahr ist es wider Erwarten so, dass wir jetzt schon drei Bewerbungen haben. Und ich glaube, das liegt auch ein Stück weit daran, dass letztendlich ein Sinneswandel in der Bevölkerung eintritt, dass Handwerk nun doch als gar nicht so schlecht empfunden wird und dass an dem Spruch, den ich in meiner Lehrzeit noch gesagt bekommen habe „Handwerk hat goldenen Boden“ doch etwas dran ist.
Handwerk hat goldenen Boden – dennoch hat die Branche mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Wie erklären Sie jungen Menschen, was an Elektrotechnik für sie beruflich, auch langfristig, attraktiv sein kann?
Die meisten neuen Azubis setzen sich tatsächlich nicht vorher damit auseinander, wie es nach der Ausbildung weitergehen kann. Nur die, die von Anfang an wissen, dass sie noch einen anderen Weg einschlagen wollen, haben sich in der Regel informiert. Das sind etwa diejenigen, die ein nicht so glorreiches Abitur gemacht haben und nun eine Ausbildung in Vorbereitung auf ein fachliches Studium machen wollen.
Aber meist bewerben sich eher Realschüler, die dann während der Lehre erst feststellen, wie viele Möglichkeiten der Job eigentlich bietet. Gerade der Elektro-Bereich ist wahnsinnig gut aufgestellt - und wegen der Energiewende auch sehr gefragt. Wir zeigen dann natürlich die Möglichkeiten auf, sei es, sich zu spezialisieren oder aber den Meister zu machen und hinterher wieder in den Betrieb zu kommen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Das funktioniert gut.
Wie optimistisch sind die, dass wir die Energiewende angesichts fehlender Fachkräfte einigermaßen zeitnah hinbekommen?
Es ist gut, dass wir eine Energiewende einschlagen und es ist gut, dass wir mehr für den Kilmaschutz tun und uns anders aufstellen wollen – aber die ambitionierten Ziele der Politik sind in meiner Meinung nach so aktuell nicht umsetzbar. Elektro hat deutschlandweit aktuell einen Fehlbedarf von 80.000 Mitarbeitern. Das gleiche betrifft Heizung und Sanitär. Hinzu kommt, dass die Industrie letztendlich durch den russischen Angriffskrieg viele Probleme hat und nicht liefern kann. Hersteller, etwa von Wärmepumpen, schaffen jetzt schon zusätzliche Produktionsstraßen oder planen dies zumindest – aber die Umsetzung braucht Zeit.
Ich denke, wir können vielleicht Ende nächsten Jahres so weit sein, dass wir die Energiewende produktionsmäßig schaffen – aber das Einbauen und Ausführen, das wird ein großes Problem darstellen. Da haben wir große Defizite, weil das nicht leistbar ist. Bei mir warten Kunden aktuell ein dreiviertel Jahr auf einen Termin. Bei Neukunden überlege ich zweimal, ob ich sie überhaupt nehmen kann – und das, obwohl ich nicht gar nicht so viel im Energiewendebereich arbeite. Wie geht es dann wohl den anderen Kollegen, die Photovoltaikanlagen oder Wärmepumpen einbauen? Ich kenne einen Kollegen, der macht nur Photovoltaik, der hat eine Auslastung von einem Jahr.
Welche Hinweise würden Sie diesbezüglich der Politik gerne mit auf den Weg geben?
Wir reden immer von Bürokratieabbau. Ich denke, man muss Hürden ziemlich weit heruntersetzen, um da Möglichkeiten zu schaffen – etwa auch dafür, dass Helfer, die jahrelang in einem Betrieb mitgelaufen sind, ihre Qualifikationen über einfachere Wege nachholen. Da gibt es viele Möglichkeiten und Wege, Leute zu finden, die sicherlich nicht die Wärmepumpe anschließen, aber einfache Installationen vornehmen können - immerhin haben solche Helfer zum Teil zehn oder 15 Jahre Berufserfahrung. Das würde uns schon ein wenig weiterbringen.
Ein weiterer Wunsch wäre, dass sich bei der Schulbildung etwas tut. Als ich zur Schule gegangen bin, war der gute Hauptschüler auch ein guter Handwerker und konnte das leisten. Heute habe ich einen guten Realschüler, der Probleme in der Berufsschule hat, weil das Niveau in wichtigen Fächern wie Deutsch und Mathematik meiner Beobachtung nach stark gesunken ist – das finde ich schade. Wir müssen es wieder hinkriegen, dass Kinder vernünftig schreiben, sprechen, sich ausdrücken und das Einmaleins können. Ich habe mal mit einem Jugendlichen zusammengesessen und gefragt: ‚Wenn das Teil 200 Euro kostet und wir dem Kunden 20 Prozent Rabatt darauf geben: Wie viel kostet es dann?‘ Der hat dann ernsthaft gefragt, ob er das Handy nutzen darf, um das auszurechnen. So eine einfache Aufgabe sollte schon jeder hinbekommen, und das hakt bei vielen meiner Erfahrung nach leider immer wieder. Was man in zehn Jahren Schule versäumt hat, können Ausbilder nun mal nicht in drei Jahren wieder zurechtbiegen.