Bärbel Heidebroek ist geschäftsführende Gesellschafterin der Landwind-Gruppe und Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) in Niedersachsen/Bremen. Am Sitz des Unternehmens in Gevensleben sprach sie mit IdeenExpo-Geschäftsführer Martin Brüning über die harten Jahre der Branche nach 2017, die Vorteile eines Firmensitzes auf dem Land und darüber, was Mitarbeitenden heute bei der Suche nach dem passenden Arbeitgeber wichtig ist.
Ihr Unternehmen hat in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Wachstum hinter sich. Inzwischen haben Sie 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie fing alles an?
Im Jahr 1999 hat mein Mann den elterlichen Betrieb übernommen. Das war ein Ackerbaubetrieb mit zwei Mitarbeitern. Wir waren beide Agraringenieure und dachten: Mit den Kompetenzen können wir doch eigentlich mehr machen. Es war damals die Zeit, als hier vom Landvolk Braunschweig Windenergieanlagen gebaut wurden, bei deren Errichtung wir involviert waren und uns auch finanziell beteiligt haben. Damals haben wir gedacht: Können wir das nicht auch? Da haben wir dann die erste Landwind GmbH gegründet und auch gleich den Zuschlag für ein Projekt mit 13 Windrädern bekommen.
Wie ging es dann weiter?
Am Anfang haben wir noch ganz viele Dienstleistungen eingekauft, weil wir noch nicht genau einschätzen konnten, wie es weitergeht. Aber dann haben wir uns nach und nach immer mehr Kompetenz ins Haus geholt. Mittlerweile können wir eigentlich alles - von der Projektentwicklung über den Bau bis zur technischen und kaufmännischen Betriebsführung. Wir haben auch einen eigenen Energieversorger. Inzwischen sind wir sehr breit aufgestellt. Die Projekte sind auch immer komplexer geworden, so dass wir immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchten.
"Wir haben so einen Slogan auf einer Postkarte – da steht: 'Mutti sagt, mach doch mal was Vernünftiges.'“
Eigentlich war das ja ein antizyklisches Wachstum, weil beim Ausbau der Windenergie in den vergangenen Jahren viel Stagnation geherrscht hat…
Bis 2017 gab es noch einen richtigen Boom. Dann kamen ein paar wirklich harte Jahre, in denen sich auch unsere Mitarbeitenden gefragt haben: Wie geht das hier eigentlich weiter? Wir haben dann mit der Erschließung von Wohn- und Gewerbegebieten noch ein anderes Geschäftsfeld erschlossen und die Firma LandBau gegründet. Schließlich geht es auch dabei um Projektierung. Das beherrschen wir. In den vergangenen zwei oder drei Jahren haben wir dann wieder massiv eingestellt, weil die Windparkentwicklung wieder mehr Fahrt aufgenommen hat. Zudem haben wir im vergangenen Jahr unser Geschäftsfeld auf die Entwicklung von Photovoltaik-Freiflächenanalgen ausgedehnt.
Wenn man vom ländlichen Raum spricht, ist Gevensleben vermutlich ein Paradebeispiel dafür. Die Landwind-Gruppe sitzt im Kreis Helmstedt, nahe an der Grenze zu Sachsen-Anhalt, die nächste Autobahn ist weit weg. Wie relevant ist das bei der Arbeit und bei der Suche nach Arbeitskräften?
Meiner Meinung nach ist es durch das inzwischen etablierte mobile Arbeiten gar nicht mehr so wichtig, wo der Firmensitz ist. Als die Corona-Pandemie begann, konnten wir unsere Mitarbeitenden von Freitag auf Montag ins Homeoffice schicken. Wir kannten mobiles Arbeiten schon vorher und waren technisch zumindest in den Grundlagen dafür ausgerüstet. Und auch jetzt spielt mobiles Arbeiten bei uns eine große Rolle. Wir haben einen Mitarbeiter, der seinen Lebensmittelpunkt in Bremen hat, ein anderer wohnt in Husum. Wir sind da sehr flexibel und haben gut funktionierende Modelle.
Sehen Sie weitere Vorteile eines Firmensitzes auf dem Land, die in der öffentlichen Debatte vielleicht zu kurz kommen?
Ja, diese Vorteile gibt es. Wir haben hier Platz und dadurch großzügige und schöne Büroräume. Man muss nicht ewig nach einem Parkplatz suchen, Stau gibt’s auch nicht. Hier kann man sich privat noch ein Grundstück leisten und selbst bauen. Das ist in vielen Städten und in deren Umland derzeit kaum noch möglich. Hier kann ich einfach Dinge erreichen, die ich sonst vielleicht nicht mehr erreichen kann. Und wir leben hier im Unternehmen eine familiäre Atmosphäre. Kein Wunder: Ich wohne mit meiner Familie ja auch gleich über den Hof im Wohnhaus gegenüber. Die Kinder sind in der Firma präsent, ebenso unsere Hunde. Wir können und wollen nicht genauso sein wie die großen Unternehmen. Wir wollen dieses persönliche Klima im Unternehmen erhalten, gestalten Arbeitszeiten und Elternzeiten flexibel. Ich habe ja selbst vier Kinder. Ich weiß, wie das ist und welchen Freiraum man braucht, um arbeiten zu können, wenn man kleine Kinder hat.
Haben Flexibilität und die Atmosphäre heute eine größere Bedeutung als das Einkommen?
Unser Durchschnittsalter im Unternehmen liegt bei 35 Jahren. Und ich habe den Eindruck, dass gerade jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heute natürlich immer noch gut verdienen wollen, das Geld aber nicht mehr die allererste Rolle spielt. Vielmehr geht es ihnen unter anderem um eine gute Arbeitsatmosphäre und die versuchen wir uns zu erhalten, auch, wenn wir immer größer werden. Dadurch haben wir auch eine sehr geringe Fluktuation Ich versuche als Verantwortliche für unser Personal so viel Kontakt wie möglich zu den Mitarbeitenden zu haben.
Ein Umzug in eine größere Stadt käme für Sie nicht in Frage?
Diese Diskussion haben wir gerade geführt. Wir brauchten mehr Platz und haben überlegt, ob es eine Alternative sein könnte, Büroräume in Braunschweig anzumieten. Wir haben uns aber ganz bewusst dafür entschieden, hier in Gevensleben ein neues Bürogebäude zu bauen. Wir wollen unseren Spirit behalten, und dazu gehört für uns eben auch ein attraktives Arbeitsumfeld. Deshalb planen wir hier Fitnessbereich und Garten gleich dazu.
Sie haben gesagt, die Arbeitsatmosphäre wird Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wichtiger. Wie steht es mit der Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit?
(Lacht) Wir haben so einen Slogan auf einer Postkarte – da steht: „Mutti sagt, mach doch mal was Vernünftiges.“ Für mich ist die Sinnhaftigkeit ein zentraler Schlüssel. An der Energiewende mitzuarbeiten, ergibt einfach Sinn. Das ist für viele Bewerberinnen und Bewerber auch ein ganz wichtiges Argument.
Zugleich ist Ihr Geschäft sehr abhängig von politischen Entscheidungen – Sie haben ja die harten Jahre nach 2017 angesprochen. Was muss sich politisch Ihrer Ansicht nach ändern, um die Energiewende zu verstetigen?
Wir brauchen vor allem Planungssicherheit. Die Politik muss uns Leitplanken geben, damit wir unsere Geschäftsfelder entwickeln können. Wir brauchen wirtschaftlich stabile Rahmenbedingungen und ein klares Bekenntnis zu den Ernbeuerbaren. Wir werden die Hersteller von Windenergieanlagen nicht wieder nach Deutschland zurückholen, wenn sie nicht den Eindruck haben, dass es hier nachhaltig positive Rahmenbedingungen gibt. Dann, glaube ich, haben wir Chancen, die Produktion von Anlagen wieder zurückzugewinnen.